Sonntag, 27. September 2015

Tipps vom 21.09. - 27.09.2015

Doch nicht das letzte Mal für die Hans W. Geißendörfer-Retrospektive auf CEREALITY.NET! Es kamen nämlich noch drei weitere Filme ins Postfach, von denen zwei nach ihrer Erstsausstrahlung nicht mehr wirklich gezeigt wurden. Heute geht es aber erstmal um die zwei folgenden Filme in chronologischer Reihenfolge. Film ab!




JUSTIZ - "[...] Die Verdrängung von Tatsachen ist im Werk Geißendörfers ein häufig auftretendes Thema [...] In diesem Film nun geschehen jene Mechanismen auf nationaler Ebene und verschieben damit in schöner Regelmäßigkeit das Vertrauen des Zuschauers in seine Charaktere. [...] Es wird zum Whodunit eingeladen, obwohl der Mörder schon längst gesehen wurde, auch auf der Leinwand. Dafür entwirft Geißendörfer nicht noch im Nachhinein einen doppelten Boden, aber er spielt durchweg mit der emotionalen Wahrnehmung des Zuschauers, die umso stärker ins Ungewisse gesteigert wird, sobald das „Warum?“ seine Erklärung erhält. Ein zweischneidiges Schwert, an dem das Gewissen reibt. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




SCHNEELAND - "[...] Die Bilder schwedischer Landschaften nehmen in ihrer unerbittlichen Ferne gefangen, in den Herzen der dort wohnenden Charaktere vergraben frostige Stürme die Hoffnung. Im narrativen Sinne geschieht dies auf zwei Zeitebenen, die in ihrem abgekoppelten und doch parallelen Leiden eine Wechselwirkung erzeugen. [...] Die Gefühle geschehen dennoch in ehrfürchtiger Stille, gefolgt von geradezu animalischen Eruptionen. Empathie und Wut bewerkstelligen Menschliches wie Unmenschliches, zeugen aber von (auch filmischer) Ehrlichkeit. Ob das Herz unter dem Eis erfroren liegt oder hinaus gebrochen wird: Es bleibt tot, aber es hat auch gelebt und lebt in anderen weiter. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




CAROL - Er ist zum Ersticken, dieser gesellschaftliche Druck mit seiner aufgezwungenen Glückseligkeit in urbaner Anonymität. Die Verhaltensregeln im Amerika der vierziger Jahre atmen Konformität, alles andere wäre Bearbeitungsmaterial für McCarthy. Nicht bloß Therese (Rooney Mara) fühlt sich unter Beobachtung, auch der Zuschauer merkt dieses klaustrophobische Drängen in jenen Einstellungen, in denen immer etwas in Bewegung ist und der Headroom weiter nach oben belassen wird, um das Gefühl der Kontrolle von oben spürbar zu machen. Privatsphäre ist nur im Innern möglich oder, wie man öfters sehen wird, hinter Glasscheiben - abgeschottet in eine freiwillige Einsamkeit. Das hat auch was durchaus Schönes an sich: auf 16mm gedreht, fasert das Bildmaterial rau und milchig zugleich durch die Lichter von New York um die Weihnachtszeit herum; schaut intensiv auf die Haut und gibt ihr einen brüchigen Teint, während die Augen zur Sehnsucht schauen. Was für eine Pracht, von Carter Burwells Tönen zur Symphonie der Seele stilisiert, aber weder als prunkvolles Melodram noch in gesteltzter Trägheit aufgelöst. Todd Haynes schafft die Balance, um in seine Menschen zu sehen und findet die ersten nervösen Begegnungen, die unschuldige Annäherung und die zärtliche Zweisamkeit jenseits aufdringlichen Filmgestus.


Er gibt dabei Luft in seiner Kadrierung der Individuen und fokussiert ein stilles Verständnis, je tiefer Therese und Carol (Cate Blanchett) sich ineinander verlieben. Letztere kann mit ihrer Präsenz ohnehin einen ganzen Raum einnehmen, viel wichtiger ist ihr aber, mal eine ganze Stadt für sich allein zu haben - frei von der Einkesselung der Massen mit der wahren Liebe unterwegs. Wie ein Schatten hängt aber noch Ehemann Harge (Kyle Chandler) über ihr und streitet um das Sorgerecht zur Tochter - Carols Ein und Alles, für das sie so manches Opfer bringen würde/muss. Sie ist von Vornherein schuldig, weil sie sie selbst ist. Dass sie schlicht wie jeder andere Mensch auch liebt, steht permanent auf dem entmenschlichten Prüfstand, selbst in intimer Sicherheit. Therese weiß in diesen Ungewissheiten gar nicht, wie ihr selbst geschieht, aber schon, was richtig ist und was den Willen ihres Herzens ausmacht. Schließlich gibt es nur eine, mit der sie die Einsamkeit hinter dem Glas teilen will. Es folgt der Fluchtgedanke, abseits der Kontrolle und vor allem gemeinsam gegen den Schmerz, mit der Faszination und Liebe zum Seelenpartner im Gepäck. Die Vorlage hierzu stammt von Patricia Highsmith; die Bewährung von Identität, Widerstand und Ergänzung im sozialen Komplex wird wieder ein wichtiges Thema.


Andere Regiekollegen könnten mit jenem dargestellten Schicksal der hilflosen Liebe bestimmt noch plakativere Weisheiten und Symboliken auftischen, doch das Geschick von Haynes verbietet dies zugunsten einer schlicht empathischen Erfahrung, die sich so bitter im Zuschauer verselbstständigt, dass kein Tearjerking mehr vonnöten ist. Beobachtung, Menschlichkeit und Gefühl sind doch noch wahrhaftig darstellbar - es erfordert lediglich einen Erzähler mit Respekt, der Inhalt und Empfänger seiner Geschichte sowie die Stadt, die Natur und alles dazwischen versteht. Der vermitteln kann, wie schwer Abstände wirken und verändern können, wie Berührungen befreien oder auf die Pelle rücken, wie die Erinnerung aus einem Bild den Schauer in der Seele entfacht. „Carol“ schafft es als einer der wenigen Filme dieses Jahres, sein Medium von der ersten Sekunde an zu vermenschlichen sowie Schmerz und Wonne fern jeder Abstraktion oder Übererklärung direkt zu vermitteln, als würde man seine Venen ans Zelluloid anschließen. Thereses verständnisloser Hofmacher Richard (Jake Lacy) hat da insofern schon recht, dass Liebe den Unterschied macht. Im Gegensatz zum dies im Film sagende Herr kann Todd Haynes das allerdings auch beweisen.




AMERICAN ULTRA - "[...] Überhaupt würgt er sich einen ab, herauszufinden, zu welchem Genre er jetzt als Erfüllung seiner selbst kommen will. Er versucht gleich alle auf einmal, doch es gelingt ihm meistens nur per Zufall, seine Euphorie auch auf den Zuschauer zu übertragen. Nun soll man ja nicht über Filme schimpfen, die mit Ecken und Kanten gegen den Konsens arbeiten; die in ihrer Vielfalt um Sehgewohnheiten kaspern und für sich selbst einstehen. „American Ultra“ hat in seinem kruden Mix aus Action, Identitätskrise, Identitätskomödie, Geheimdienstmachenschaften und Liebesdrama aber nur bedingt einen Plan davon, wie er sein Konzept umsetzen kann. [...] Man kann noch von Glück reden, dass Eisenberg und Stewart den Film im Alleingang souverän auf ihren Schultern tragen können und mehr als Menschen wirken denn als Karikaturen. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

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