BUMERANG - BUMERANG - "[...] Frechheit siegt mit Cleverness im sympathisierenden Cine-Protest. Geißendörfers Film wirkt ohnehin besonders lebhaft, wenn er mit seinen Teenagern sympathisiert, diese als bodenständigen Zeitgeist gegen die Verlogenheit der Obrigkeit zeichnet und im Coming of Age zwischen Kassettenrekordern, Aktionspostern und selbst gebastelten Funksprechanlagen aufnimmt. Dennoch bleibt eine unvermeidbare Distanz, die nicht nur vom Zeitkolorit ausgeht (Wackersdorf wurde im Nachhinein ohnehin als atomarer Standort fallen gelassen), sondern auch vom Ernst der Situation, dem Geißendörfer die nötige Portion Realismus einverleibt. Gerade dieser beißt sich aber (bewusst) mit dem lockeren Verständnis des Films zu seinen Protagonisten. Es hat etwas Ehrliches, aber auch Befremdliches inne, was durchaus als aneckende Qualität verbuchbar ist. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
GUDRUN - "[...] Selbst in Freundschaft und Verfolgung lauert das Ego, die Bewährung für eine indoktrinierte Aufgabe, der Drang zum Vorteil. Alles ist offen, doch man will geschlossen sein. So wie sich Fritz in den Reihen der HJ wissen will und darum betet, dass auch sein Vater die Wege des Führers einsieht, sehnt sich Gudrun nach der Familie, sprich der Rückkehr des Vaters oder Versöhnung von Mutter und Großmutter. Letztendlich müssen diese drei Generationen an Frauen ein Opfer durchstehen, das totgeschwiegen und doch eindeutig von jedem wahrgenommen wird. In aller Stille lässt sich auch alles hören. Im Nachhinein um Vergebung zu bitten, das Unrecht nicht gesehen zu haben und Märchen auftischen zu wollen, ist nur vergebene Mühe. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
CLARENCE - STAFFEL 1 - Bock auf irre Abenteuer zu haben, hat man Ende zwanzig schon fast vergessen, wie es scheint. Gut, dass ein Clarence da noch zeigt, wie verspielt und unbedarft man den Alltag angehen und sich sogar mit dem Schulraudi anfreunden kann (selbst wenn dieser das mal so gar nicht sieht). Nicht, dass die Serie deshalb fern von der Realität heranwachsender Veränderungen wäre, aber sie schafft es dennoch, jede Folge mit Komik und Kreativität in einen eigenwilligen bunten Rahmen zu setzen und dabei Erinnerungen ans lange Aufbleiben, Herumtollen, Idolisieren von Fernseher & Spielfiguren, das Abhängen mit Kumpels sowie die ersten Begegnungen mit Mädels zu wecken. Ob es nun nachts durch den Wald gegen den Schlaf geht; Doppel-Geburtstage auf der Bowlingbahn gefeiert werden; Clarence und Co. mit den Eltern zu einer Feier eingeladen werden und dort nach zuckriger Unterhaltung auf dem morschen Dachboden suchen; Videogames, Fahrräder, Fast-Food und Schwimmbäder die Freizeit im duften Sommer bestimmen:
Alles kennt man irgendwie und ist in den Augen von Clarence, dem wilden Sumo und dem übervorsichtigen Jeff ein Kaleidoskop der Kindheit, an dem man sich für elf Minuten pro Folge die Finger mit Fruchteis einsauen, die Knie aufschürfen und die Klamotten in der Modder dreckig machen darf. Fantasievoll, absurd und im Humor nicht schlicht auf einfache Kinderbeschallung geeicht (manche Pointen können Lachkrämpfe verursachen), geht die Sache ohnehin noch urkomisch von statten, solange alles möglich scheint und für liebenswertes Chaos sorgt. Wohlgemerkt in einem Zeichenstil, der gleichsam klobig, drollig und irre auf einmal sein kann. Soweit ich das beurteilen kann, am besten im Originalton schauen.
KID-THING - Die Zellner-Brüder schauen mit
Kinderaugen in die texanische Einöde - nicht gerade mit der
drolligen Unschuld jener heranwachsenden Menschenbrut, sondern mit
einer Anarchie im provinziellen Trott unterwegs. Nicht, dass dieser
Ansporn als Ader der Filmerfahrung wirklich ausgesprochen oder mit
Outsider-Pathos untermauert werden muss, so einfach macht man sich es
dann doch nicht - andere Werke würden sich ja einen abquälen, um
diese Selbstverständlichkeit an ein uneingeweihtes Publikum zu
vermitteln. So stilisiert sich das Geschehen mitunter als stiller
Impressionismus, der mit dem nihilistischen Ablauf des Films
einhergeht und Atmosphäre aufbaut, doch ein formelles Regelwerk wird
nur bedingt angewendet. Dafür lässt sich „Kid-Thing“ immer eine
Handvoll Ablenkungen offen, die nicht mal unbedingt ins Krasse und
Absurde abdriften oder respektlosen Shock-Value auftischen müssen.
Der Film verwehrt sich eben einem gängigen Prinzip, wie es
vielleicht schon „Gummo“ als Vorbild übte, nur eben, dass hier
kein hyperventiliertes Experiment im Chaos angezettelt werden muss.
Die einfache Beobachtung ist stattdessen des Zuschauers Freund im
Alltag der kleinen Annie (Sydney Aguirre - bester Nachname!),
vollkommen kohärent in der Aufnahme des Eigensinns und gleichsam
kurzweilig vom narrativen Konsens gelöst.
Ein möglichst kleiner Spannungsbogen
ist schon vorhanden, ob Annie nun Esther (Susan Tyrrell - nicht zu
sehen, aber zu hören) aus dem Loch im Wald holt. Es erhebt
dramaturgisch vielleicht keinen allzu relevanten Anspruch, bringt
allerdings in Abständen ein Mysterium in die Sache, das recht schön
den Kontrast von Verantwortung und kindlicher Naivität im Angesicht
mit der Ungewissheit einer armen Freiheit herausstellt.
Letztere ist eben ungezwungen, aber im Mangel der Mittel eine
Apokalypse der Faulheit. Das Haus/die Farm, auf der Annie mit ihren
Vätern (?) lebt, ist zu hundert Prozent urig, ein Messi-Himmel für
verschlafene Rednecks und doch so herzlich wie unsentimental.
Empathie kann man woanders suchen, denn Annie stiehlt, mischt andere
Kids auf und beschießt Kadaver mit Paintballkugeln. Viel bleibt ihr
dabei nicht zu sagen übrig, der Lauf der Dinge wird schlicht von
ihrer Laune einer Raudi-Kindheit bestimmt und damit basta. Darin
zeichnen sich Stillleben der Ziellosigkeit, wie sie auch in
nächtlicher Sommerhitze für knapp achtzig Minuten Laufzeit durchweg
überraschen, aber keine Aufregung dafür vortäuschen müssen.
„Kid-Thing“ präsentiert ein Abenteuer der Langeweile, das in
seiner schlichten Schönheit fix zum Bleiben einlädt und sich
doch mit unbelasteter Distanz selbstständig belässt.
WACHTMEISTER RAHN - Vorweg die obligatorische Nachricht:
Wie es mit so ziemlich jedem Ulli-Lommel-Film ist, muss man auch hier
eine Spur Dilettantismus und schleppendes Erzähltempo einberechnen.
Schon zu Anfang hält die Baustrahlerbeleuchtung auf stationäre
beziehungsweise per Hand eingefangene Kameraeinstellungen drauf, die
gleichsam von einem holprigen Schnitt sowie Darstellern erfüllt
werden, die teilweise nicht allzu natürlich durchs Ambiente wandern
und zudem noch dementsprechende Synchronstimmen beherbergen. Nicht,
dass es viel vom eigentlichen Inhalt des Films ausmacht, aber ein
Stück mehr Sorgfalt hätte den Rahmenbedingungen noch eine
einvernehmendere Funktion verliehen. Aber genug der oberflächlichen
Kritik, gemessen an seinen Mitteln erzählt Lommel nämlich ein
stimmiges Drama der Gefangenschaft im Alltag. Stumpf und aussichtslos
ist da die deutsche Perspektive in Ernst Rahns (Hans Zander)
Großstadtleben zwischen Pflicht im Polizeirevier und Rückzug zur
Liebe im Gesetzlosen. Schon früh im Film stellt seine Erschießung
von Räubern für die Kollegen eine aufregende Heldentat dar, doch er
könnte in seiner Schuld kaum ferner von deren Mentalität sein.
Stattdessen weiß er nicht wohin mit seiner Macht, wie auch manch
anderer Kollege Angst vor der Begegnung mit dem Zeitgeist der RAF
hat.
Rahn packt selbst bei kleinen Verkehrssündern die Wut, doch ein souveränes Männlichkeitsbild kann er in jenen klaustrophobischen Zeiten im Trott des geteilten Deutschlands unmöglich vermitteln. Die psychologische Verinnerlichung der individuellen Unfähigkeit ist bei Lommels (manch einer möchte sagen: ebenso mit Unfähigkeit befleckter) Inszenierung ein entscheidender Faktor in nüchterner Beobachtung; sein Drehbuch ohnehin konkret und mit Dialogen der Ungewissheit ausgestattet, die etwas steif vorgetragen werden und Unterweltsprache spekulieren, aber nie ins Plakative abdriften. Mit reißerischen Impulsen hält sich der Film ohnehin durchweg zurück, dafür zeichnet er eine omnipräsente Trostlosigkeit auf der Suche nach Anerkennung und Liebe. Rahn trifft auf diesem Wege den homosexuellen Straftäter Johann (Rainer Will) - übrigens in einer ziemlich ausgeklügelten Kameraeinheit der Begegnung, die Spannung und Neugierde ohne Worte einfängt - und möchte ihm näherkommen, fühlt sich bei ihm sicher mit dem inneren Leiden. Und obwohl Johann Ernst durch Komplize Walter (Jeff Roden) zur Beteiligung an Strafdelikten reinlegt, will Rahn an jene Liebe so weit es geht glauben; Johann sogar aus der Szene herausholen, obwohl dieser nur bedingt dieselben Gefühle für den Wachtmeister empfindet.
Auf die Selbstlüge Rahns folgt dessen Verzweiflung sowie ärztliche und familiäre Einschätzungen, die an ein tiefer gehendes Verständnis jenseits der gemütlichen Eindeutigkeit kein Interesse haben. Seinen Ausweg muss er sich selber wählen, aber dieser zerstört alles, obwohl er noch die Maske der sozialen Gefälligkeit gegenüber anderen aufrecht erhalten wollte. Ein tragischer Charakter, aber keiner, dem in seinen Entschluss Pathos entgegenkommt, sondern schlicht der lautlose Schock. „Wachtmeister Rahn“ kann sich dabei nur trist und dröge geben, weil sein dargestelltes Schicksal in genau solche traurigen Bahnen verläuft. Nicht, dass er damit alle Redundanzen abwehren könnte, dafür ist Lommels Regie trotz dramaturgischem Minimalismus manchmal zu unkonzentriert im stilistischen Nirgendwo unterwegs - ganz zu schweigen von der Darstellerführung, die beinahe ausschließlich im Zander-Will-Roden-Trio zur überzeugenden Beobachtung der Zwischenmenschlichkeit einlädt. Allerdings sind alle anderen Randfiguren auch von sich aus schon Angepasste ohne Sinn für Beteiligung. Nicht jede Kunst ist Zufall, nicht jede muss geplant sein. Je nachdem, wie viel man Lommel davon abkauft, bleibt trotzdem noch ein recht konsequentes Abbild von Verlorenheit und Einsamkeit, trotz des zugegebenermaßen räudigen Zeitkolorits in aller Aktualität über.
YAKUZA APOCALYPSE - "[...] Zwar bremst er sich zeitweise aus, um Unbedeutsames mit Genuss zum bedeutenden Himmelfahrtskommando zu stilisieren. Aber Prügel, Plüsch, Plattfüße und Panik im Slapstick-Modus dürfen nicht fehlen, wenn Hämoglobin und Muttermilch spritzen, Vulkane ausbrechen und Faustduelle um einen Megapunch pro Minute ringen. Es ist nicht schwer, bei diesen Eindrücken durchzublicken, vielmehr, was sie als Gesamteinheit überhaupt miteinander zu tun haben. Und fürwahr, die Nonsensparade bleibt in ihrer Vielfalt und vor allem ihren Männlichkeitsidealen eher bewusst bekloppt. Dem Charme kann man dennoch nicht widerstehen, befriedigt er doch die Ungewissheit mit ungewissem Wahn und einigen famosen Pointen darin [...]"
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Bonus-Zeugs:
MAX - "[...] Ein leidlich maskierter Propagandafilm, der promilitärische und patriotische Tendenzen für Kinder salonfähig machen möchte. [...] Wenn man sich als anspruchsfreier Zuschauer mit durchgehender Eindimensionalität zufriedengeben kann, wird vielleicht nur das letzte Drittel im Wald die Geduld überziehen. Im Endeffekt kommt es einem fast vor, als ob man gar nichts gesehen hätte, so platt und bieder wirkt alles. [...] Ein ungünstiges Bild für einen im Kern unbedarften Genrefilm, der als Mittel zum zweifelhaften Zweck missbraucht wird und mit seinem Kitsch konservative Weltbilder bekräftigt. „Best Friend. Hero. Marine.“ heißt es auf dem amerikanischen Plakat zum Film. Bleibt nur noch eines hinzuzufügen: „Dogshit.“"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
CAPTIVE - "[...] Zunächst sei bemerkt, dass der hier geschilderte Fall auf einer wahren Geschichte basiert – folglich wird man jenem Stichwort eines austauschbaren Fernsehdramas gerecht und genauso kostengünstig wie frei jeder stilistischen Handschrift inszeniert. [...] Das Problem ist nur, dass sich „Captive“ brav an Vorgaben hält und die Überraschungsfreiheit seines Genres lanciert, sodass nicht nur Tempo obsolet wird. Die Entbehrlichkeit des Stoffes mag vielleicht durch die humanistische Botschaft umgekehrt werden, doch basiert auch diese auf Binsenweisheiten [...] Das wahre Verbrechen am Zuschauer lauert jedoch im Abspann [...]"
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