MINNIE UND MOSKOWITZ - Mal ein ordentlicher Pärchen-Film, im Grunde schon als Blaupause der 'unkonventionellen' Rom-Coms unserer Tage funktionierend, nur eben ohne diese ganze Gezwungenheit der etablierten Drei-Akt-Dramaturgie und mehr ein Film des turbulenten Moments. Denn da dreht niemand Geringeres als unser lieber John Cassavetes am Rad, der seine Stammschauspieler Gena Rowlands und Seymour Cassel aufeinander treffen und ineinander verlieben lässt. Natürlich mit der ihm bekannten Schroffheit und Anarchie versehen, aber doch als Darstellung äußerst liebenswerter, (positiv gemeint) eigenartiger Menschen ausgezeichnet. Zum Einen wäre da Seymour Moskowitz (Cassel) - ein beschwingter, langhaariger Typ, der sich mit seinen zahlreichen Anstellungen als Parkhauswärter durchs New Yorker Leben schlägt, zwar den ganz zugänglichen Sympathen abgibt, aber nicht immer taktvoll als konfrontativer Menschenfreund agiert, auch mal ein blaues Auge riskiert, stark direkt mit Frauen umgeht und Drinks stibitzt. Hat er bestimmt auch ein Stück weit von seiner super-jüdischen, drolligen Mutti (Katherine Cassavetes). Aber hilft alles nix, da will er nun sein Glück in Kalifornien versuchen, begegnet auf dem Flug dorthin einer grantigen Mutter, die es schwer hat, ihr Kind zum Karotten-Essen zu bewegen. Sie entschuldigt sich bei ihm dafür, er hilft aber ein bisschen nach, indem er Bugs Bunny nachäfft und die Kleine zum Lachen bringt. Eben ein ganz lieber Kerl, dieser Seymour.
Doch sein ihm noch nicht bereiter Gegenpol, Minnie Moore (Rowlands), ist the real deal. Als Museumskuratorin hat sie in L.A. keine allzu schlechte finanzielle Lage, aber alles andere an ihr stellt sich kompliziert dar: recht desillusioniert von der theoretischen 'Wahrheit' der Liebe (inkl. Seitenhieb auf die irrealen Ideale, die das alte Kino den Menschen eingepflanzt hat), gibt sie sich mit einem Liebhaber (John Cassavetes) zufrieden, der ihr zwar aus Eifersucht Backpfeifen verteilt, wenn sie mal mit der Kollegin 'CASABLANCA' schauen geht, aber sie doch noch leidenschaftlich verschlingt - keine allzu ideale Lösung, aber wie alle Charaktere in diesem Film auch kein einfach zu definierender Zeitgenosse. Wie sich nämlich herausstellt, hat der schon eine Frau und drei Kinder, schleppt seinen Sohn aber mit in Minnies Arbeitsstelle, um ihr bei seiner Anwesenheit endgültig den Laufpass zu geben, da seine Gattin vor den Augen der Kinder einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Einerseits macht er da wohl das Richtige für seine Familie, andererseits ist er da ziemlich assi gegenüber Minnie - es ist doch zum Verzweifeln. Vorallem dann, wenn ihre Kollegin versucht, sie mit ihrem schrillen, kaputten Cousin Zelmo (Val Avery) zu verkuppeln - in diesem Figurenkomplex hat einfach jeder irgendwie seinen Verstand auf der Suche nach Glück verloren, schon recht tragisch.
Sobald sie ihm beim misslungenen, peinlichen Restaurant-Lunch aus den Weg gehen will, wird der aber handgreiflich und da kommt der zufällig dort arbeitende Seymour zur Stelle, fängt sich bei ihrer Rettung eine kaputte Nase und den Verlust des Jobs ein, versucht aber ganz seinem freundschaftlichen Wesen gemäß dennoch die hilfreiche Annäherung zu ihr. Aber das ist Minnie schon wieder zuviel des Guten und da wird auch er mega angepisst, drängelt sich ihr nicht minder aggressiv wie Zelmo auf und rattert mit seinem Truck sogar auf dem Bürgersteig entlang, um sie abzufangen. Es regnet Beschwerden von beiden Seiten aus, aber er gibt schon zu, wie hübsch er sie findet, rafft aber nicht, was mit ihr denn los sei, auch wenn er dabei ungehalten vor ihr austickt. Jetzt kann man natürlich voraussehen: was sich neckt, das liebt sich. Aber so einfach ist das auch wieder nicht, denn Seymour lässt ja schon die ganze Zeit durchsickern, dass er sich um sie kümmert oder auch, dass er sich darum bemüht, ihre Persönlichkeit aus der Misere rauszuholen. In dem Fall glaubt man wirklich schon, dass man Minnie zu ihrem Glück zwingen müsse, die ja jetzt einen geeigneten und liebevollen Partner in ihm finden könnte - schließlich sehen das andere Damen-Bekanntschaften in ihm auch, aber der Junge liebt halt nun mal nur Minnie, denn sie hat schon schlicht das Gesicht der Frau, die er auf ewig lieben wird (sie hat sein Gesicht allerdings nicht gerade für ihr Leben erwartet, aber da taut sie schon noch auf).
Schließlich taucht er ja sogar vor ihrem Haus auf und führt sie zum Essen aus, macht aber da schon deutlich, dass er sich von Niemanden was gefallen lässt und einen sehr direkten Approach mit seinen Mitmenschen pflegt, auch wenn es sie überwältigt. Er ist halt durchgehend er selbst, furchtlos und gnadenlos-offen, das bringt ihm den Lebensgenuss - und deshalb kotzt es ihn massiv an, wie Minnie sich und ihr Wesen in der Öffentlichkeit verschämt unter einer Sonnenbrille versteckt. Da macht es langsam Klick bei ihr - drum versucht sie die Liebe zu diesem aufregenden Kleinod von Mann, übt sich darin, seiner stürmischen Ungezwungenheit und Leidenschaft gerecht zu werden und sei es auch nur mit einem nächtlichen Treffen zum Eisessen. Aber herrje, wie sehr sie sich sträubt, mit ihm in die Disco zu gehen - da fallen ihr zig nervöse Ausreden ein und auch so wehrt sie sich mit vollem Körpereinsatz gegen den zornigen Seymour, der sie dorthin sogar schleifen würde. Ein kleiner Tanz von ihr auf dem Parkplatz bricht aber dann ein Stück weit das Eis, es geht voran. Das ist so eine dieser wilden Sequenzen, welche diesem Film seinen besonderen Charme verleihen. Man kann einfach nie voraussehen, nur hoffen, was passieren wird, aber man erwartet es mit stetiger Beglückung, im Rausch der Ungewissheit jener komplex-verdaddelter Charaktere.
So kommt es dann auch, dass Seymour sich besonders beleidigt fühlt, als sie ihn aufgrund ihrer verhaltenen Scham ihren Freunden gegenüber nicht vorstellt, die ebenfalls tanzen gehen wollen. Da zischt er mit seinem Truck ab, wartet aber vor Minnies Haustür, als sie mit einem ihrer Kollegen zurückkommt und kämpft sodann nochmals um ihre Zuneigung, wobei er diesem Herren nun nicht gewachsen ist und zufällig auch Minnie mit der Faust erwischt. Beide rappeln sich schließlich auf, aber sie glaubt, das wird nix mehr. Da fliegt ihm der Putz von der Decke und er schreit sich in seiner brennenden Liebe die Lunge aus dem Hals - was muss er denn noch machen, damit sie von seinem Engagement überzeugt ist? Keine Sorge, es reicht ihr schon, dass er seinen großen buschigen Bart opfert - und ab da stürzen sie sich in die badende und singende Fröhlichkeit, rufen sogar noch in derselben Nacht ihre jeweiligen Mütter der freudigen Nachricht wegen an. Dabei verläuft das Treffen zwischen den jeweiligen Parteien sodann gar nicht mal so harmonisch, allein deshalb wie eigen und zynisch Seymours Mutti keinen Nutzen in dieser Verbindung sieht und vorallem IHN als schlicht unbrauchbaren Penner darstellt.
Aber da braucht der Film keinen dramatischen, sentimentalen Absacker mehr, sondern schwingt sofort zur urigen, kleinen Hochzeit mit der wohl beschissensten Orgel am Start, die man seit jeher in der Filmgeschichte gehört hat. Was ein Heidenspaß! Und sehr bezeichnend für diesen haltlosen und schwer kategorisierbaren Film, aus dem das vollkommen chaotische Leben in rohen Mengen durch den Fleischwolf flüchtet. Cassavetes kennt da keine Kompromisse, verlässt sich auf den Genuss des Augenblicks und denkt schlichtweg mit dem Herzen, aber auch mit einer kriegerischen Dringlich-, Ehrlich- und Persönlichkeit. Da hat sein Film auch einen therapeutischen Ansatz, jedoch hauptsächlich eine Stimme, die sich endlich mal so richtig laut und schamlos aus dem Gewusel des Konventionellen, Glattgebügelten und Zweifelnden herauskatapultieren will, ganz gleich wie unvernünftig und unpassend sie auch klingen mag. Aber genau das holt sein Ensemble so nah an uns heran, selbst wenn es schlicht außergewöhnlich scheint, ist solche Eigenschaft ja human-gesehen eigentlich nichts Ungewöhnliches. Jeder hat ja die ein oder andere Macke und manch einer hat auch schwierige, reelle und nicht so leicht lösbare Probleme damit. Das vergisst man ja manchmal, wenn man sich allzu doll mit den teils forcierten Formalitäten des Mediums Film zufriedengegeben hat. Gut, dass es dann immer den gewissen, wahrhaftigen Ausnahmefall gibt, der die Verhältnisse ein bisschen aufrüttelt, nicht einzwängt, sondern mit grenzenloser, in alle Ecken abfeuernder Energie aufbläst, das Herz im Sturm erobert.
DIE LETZTEN AMERIKANER - Don't fuck with them Cajuns! In Walter Hills ironisch betitelten 'SOUTHERN COMFORT' wird eine Einsatz-Übung der Nationalgarde in den Sümpfen Louisianas blutiger Ernst, als sie den Einheimischen aus Spaß Feuer unterm Arsch machen wollen. Daraufhin geht alles schief, was schief gehen kann und gerade in jenem unbekannten Terrain auf heimatlichen Boden ist jeder beschwerliche Schritt durch die von grotesken Bäumen und Pflanzen verstrickte Gegend ein dreckiges Risiko. Aber das liegt ja auch an so einigen Hitzköpfen, die laut ihrem narzisstisch-abgebrühten Gehabe meinen, alles zu dürfen, Söldner-mäßig Krieg spielen und klauen zu können, mit lauten Platzpatronen. Solche Typen hat man ja immer dabei, ebenso die Übermäßig-Ehrenhaften, die unselbstständigen Regelbefolger, die Mental-Zerbrechlichen (in so einer Situation verständlicher Weise immer näher am Abgrund) und vorallem diejenigen, die eigentlich gar nicht dabei sein wollen.
Fürs Letztere nenne ich hier mal insbesondere Hardin (Powers Boothe), der schon in Texas mit einem Haufen Wichsern zurechtkommen musste und hierher versetzt wurde, und Spencer (Keith Carradine), der sein Missionsziel bei einer Gruppe bestellter Huren sieht - beide haben keinen Bock auf den ganzen verblendeten Bullshit und machen das Sinnigste aus ihrer Lage, ohne großes Wenn und Aber, aber abgeklärt und gewissenhaft, dennoch sicherlich keine Helden, als ob's darum geht. Regisseur Hill kann in diesem Ambiente auch keinen Pathos finden, aber auch keine rechte Hölle, da bleibt schon Ry Cooders Slide-Guitar-Score unaufgeregt-atmosphärisch, aber schroff und eigen; die Kamera-Arbeit Andrew Laszlos dringlich, aber nicht chaotisch. Ist nun mal auch amerikanische Kultur, durch die da gewatscht wird und wenn die zurückschlägt, macht sie es nicht ohne Grund, selbst wenn man in ihrem Namen handelt.
Das ist sowieso schon ein echt grausamer, aber bezeichnender Witz, dass die Nationalgarde mit der eigenen Bevölkerung nicht klar kommt - erst recht nicht, wenn all diese harten Typen auf einmal ohne ein autoritäres Oberhaupt auskommen müssen, sich wild und nervös in den Sumpf schleudern und immer tiefer in die Scheiße einsinken, weil keiner auch nur die blasseste Ahnung hat, durchdreht und verreckt. Auch wenn der heraufbeschworene Feind aus dem Innern da auf unfassbar-räudige, psychologische Kriegsführung und tödliche Fallen setzt, macht unser Trupp wortwörtlich schon sein eigenes Kreuz. Vieles wird ohne Perspektive diskutiert, in die Luft geballert, doch damit staut man sich immer fester in das ausweglose Dickicht ein - und kommt dann noch der Nebel hinzu, ist im moralischen Zwielicht jeder ein Gegner, ob nun mit falschen Kugeln oder blitzenden Messern.
Walter Hill, der geschulte Konflikt-Regisseur (siehe auch 'THE DRIVER' und 'NUR 48 STUNDEN'), holt da eine grimmige Spannung heraus, ohne ins Feuer steigen zu müssen, denn hier bringt schon das Ansenken die brachiale Zündung im Überlebenskampf der Uneinigen. Inmitten dieses kalten und nassen Labyrinth kann man ja auch nur stinksauer, weil dreckig, sein - und daher kommen nur diejenigen nach vorne durch, die richtig die Schnauze voll haben, keine bloßen Machos, sondern echte, LEBENDE Männer jenseits des unsinnigen, schnell-so-benannten 'Krieges' sein wollen. Und dennoch geht's in die vermeintliche Höhle des Löwen, jene tief verborgene und eigensinnige Cajun-Kultur, die an sich aber keineswegs feindlich daherkommt, da bleibt Hill schlau und kein reißerischer Naivling.
Nur die direkten, provozierten Verfolger drängen sodann auf den klaustrophobischen Showdown, ausgerechnet gegen diejenigen, die am Wenigsten damit zu tun haben wollten - bei denen ist folglich aber Verteidigung, nicht Rache das letzte Wort, denn voll verdreckt im geheimen Dschungel der sich gegenseitig attackierenden Heimat kann man nur stets scared-as-shit sein. Klar hat das alles eine nihilistische Note, aber zumindest bleibt man irgendwo fair, wenn auch auf einem extremen Level beider Seiten. Eins ist auf jeden Fall sicher: Training und Vorbereitung sind einen Dreck wert, wenn man glaubt, von Natur aus die Kontrolle haben zu können - denn Natur, auch die des Menschen, ist, wie man an dem Gesamtgefüge des Films und seines Settings sieht, unkontrollierbar.
Auf CEREALITY.NET gibt's die Tage eine schicke Retrospektive auf das Gesamtwerk von Hayao Miyazaki, der dieses Jahr mit 'WIE DER WIND SICH HEBT' sein Abschlusswerk präsentiert hat. Drum habe ich mich u.a. mal wieder mit seinem ersten Spielfilm befasst:
DAS SCHLOSS DES CAGLIOSTRO - [...] Die Romantik eines wahren Abenteurers definiert sich eben durch sein Geschick ambitionierter und geradezu verschlingender Energie, egal ob nun im Vordringen zu gigantischen Schätzen oder auch der Erfüllung emotionaler Sehnsüchte (nicht, dass Lupin als unverbesserlicher Haudegen unbedingt bei Clarissa bleiben wird, aber immerhin befreit er sie von der inneren Unterdrückung) – und Miyazaki schätzt diese Reize als Gleichfalls-Abenteuerlicher durchwegs so sehr, dass er sie stets in der ausnahmslos kreativen und von Natur aus schwierigen Kunst der Animation umsetzte, der magischen Zündung unserer Fantasie willen. Deshalb ist die Qualität seines Lupins weiterhin ungebrochen, auch wenn er selber noch mehr für ihn vorsah, nicht satt werden konnte, eben wie der unaufhaltsame Held an sich, dem er hiermit einen äußerst genüsslichen und dringlichen Film widmete. [...]
(Die komplette Kritik gibt es hier zu lesen.)
LONG RIDERS - Eine doch recht romantisierte Variante der Jesse-James-Geschichte, aber wenigstens eine, die mit Herz vorgetragen wird. Die Brüder James & Stacey Keach konnten da nicht anders, schrieben das Script und produzierten mit, gaben es dem fähigen Männer-Regisseur Walter Hill in die Hand und voilà: ein wahrlich schickes, nicht groß pathetisches, aber ehrenhaftes Denkmal für jene Outlaws, die nach dem Bürgerkrieg im Volk zu regelrechten Robin Hoods erbaut wurden, aber eigentlich nur für sich selbst arbeiteten, woraus der Film auch keinen Hehl macht. Auch nicht daraus, dass es sich hier um echte Südstaatler-Burschen handelt, die im Gegensatz zu manchen, selbstgefälligen Herren im Narrativ zumindest behaupten können, das sie im Krieg mitgekämpft haben. Damals war das wohl noch etwas wert, auch wenn das ganze militärische Prozedere keine hübsche Angelegenheit war, wie Komplize Cole Younger (David Carradine) zugibt.
Es hat jedenfalls so wenig gebracht, dass die Gebrüder James, Younger und Miller (allesamt von jeweiligen Real-Life-Brüdern der Familien Keach, Carradine und Quaid gespielt) verschiedene Banken im eigenen Staat Missouri um ordentlich Kohle erleichtern, sicherlich für einen besseren Lebensstandard, aber einen echten Grund will der Film nicht rausrücken - egal, man kann es sich ja denken, bei den eigentlich bescheidenen Kerlen aus dem Mittelstand. Sie sind ja auch keine Arschlöcher, die für die Beute Unschuldige killen - Angst machen gehört natürlich dazu, aber man bleibt nur beim Nötigsten. Wer da übertreibt - in diesem Fall der stürmische Miller-Bruder Ed (Dennis Quaid) - wird fristlos mit seinem letzten Anteil entlassen, soviel konsequente Ehre haben unsere räuberischen Anti-Helden ja.
Denn im Innern, direkt aus dem einfachen Herz des alten Americanas, wollen die Boys auch nur ein geregeltes Leben, mit einer Liebsten an ihrer Seite - das Glück ruft nun mal jeden, auch wenn man u.a. Hemmungen hat, weil die Begehrte als Hure arbeitet. So ergeht es nämlich Cole mit seiner Belle (Pamela Reed), die aus dem Grund als starke Frau nicht lange warten will und sich stattdessen einen fescheren Burschen schnappt. Was übrigens ein affengeiles Cameo von James Remar als Halbblut Sam Starr auf den Plan ruft, der in Quasi-WARRIORS-Kluft Cole zum Messer-Duell herausfordert. Er schlägt sich dabei gut, kriegt zwar eine fette Klinge im Bein ab, aber zerdeppert darauf mit der bloßen Faust eine Whiskey-Flasche. Der behält sein Image bei, doch Cole ist dahingehend ja auch kein mörderischer Assi, belässt es dabei und verschwindet, ganz der Ehrenmann.
Aber die Jungs können auch anders, erst recht, als ihnen die Pinkerton-Agenten auf den Fersen sind und im Namen des Gesetzes schlicht unfähig sind, die richtigen Schuldigen zu fassen, stattdessen aus Versehen andere Familien-Mitglieder und Freunde des Clans auslöschen. Das gibt einen schlechten Ruf in der Bevölkerung und bei den trauernden Angehörigen vorallem den Drang nach schneller Rache, die sodann unbarmherzig durchgeführt wird und noch weiter läuft, indem man sich entschließt, nun weitere Banken auszurauben, um es dem Staat heimzuzahlen. Daraufhin versucht man es von legislativer Seite aus mit Einschüchterung und Überredung zum Verrat, aber da knickt ebenso keiner ein, weder die treuen Ehefrauen noch der verstoßene Ed Miller. So regelte man das eben zu jener Zeit, Auge um Auge - doch Hill macht kein Politikum draus und auch keinen Eskapismus, da bleibt er objektiv und vergibt weder Heiligenscheine noch Teufelshörner. Richtig gut abgeglichen.
Schlimm wird's für jeden halt erst dann, wenn Gewalt ins Spiel kommt und da behandelt er alle mit der gleichen stilistischen Aufbereitung von explosiven Zeitlupen, zwischen aufwirbelndem Staub & Dreck sowie zerspringenden Glas und Holz (inkl. ekstatisch-realistischem Top-Stuntwork von Craig R. Baxley). Wo zudem jeder Einschuss mit inszenatorischer Ankündigung abläuft - schließlich wird hier Historisches behandelt -, aber nichtsdestotrotz schmerzhaft Körper zersiebt, bei der erzwungenen Langsamkeit eben noch härter als normal. Das ist spannend anzusehen, aber für die Figuren hier kein Zuckerschlecken, wie der zuvor erfahrene Krieg eben keine schöne Angelegenheit - klare Ansage und auch ausnahmslos ohne heroische Musikuntermalung oder visuelle Verwässerung ausgestattet: einfach wahrlich grausame Massaker à la 'WILD BUNCH'.
Aber deshalb bleibt man mit der Sympathie letztendlich doch bei den Räuber-Jungs, denn wer will schon komplett nach den Regeln leben, wenn diese so hart zurückschlagen wollen, sobald man sich von ihnen entfernt? All dies spricht das Freimütige und Eigensinnige in uns an, aber auch die ureigene Romantik von Brüderlichkeit und Seelenverwandschaft. Ein archaischer und doch herzlicher Ausdruck des American Dreams und der mit ihm verbundenen Freiheit des Einzelnen, die jedem zusteht, selbst wenn er für die Südstaaten im Krieg um die Sklaverei etc. gekämpft hat. In den USA ist man nun mal vor dem Gesetz und wohl auch vor der Waffe gleich - in diesem Film lebt jeder damit und so akzeptiert auch Jesse James (James Keach) sein jähes Ende, mit der Gewissheit, dass seine (Waffen-)Brüder wahrhaftig-menschlich bleiben. Riders forever!
DECASIA - Andrei Tarkowski bezeichnete Film einstmals als Medium zur Versiegelung der Zeit. Da gibt's sogar ein ganzes Buch drüber und sollte von jedem Enthusiasten der audiovisuellen Kunstform mal gelesen werden. Dieser Film hier von Bill Morrison stellt denselben Sachverhalt ebenso her, beobachtet aber mit Grauen, wie jene Versiegelung und die dort inne wohnenden Erinnerungen zerstört werden oder sich auch gegenseitig zerstören. Uraltes Archiv-Material, das sich in einem katastrophalen Zustand befindet, wird hier zu einer Symphonie der Verätzung montiert und besitzt lediglich nur noch Umrisse von Menschen und Ereignissen, die auf dem jeweiligen Material vor einem knappen Jahrhundert mal für die Ewigkeit eingebrannt wurden.
Und obwohl in all der Zerrissenheit der vernachlässigten und verbrannten Zelluloid-Streifen nur noch bruchstückhaft Inhalte herausgelesen werden können, bildet sich ein neuer Narrativ und vorallem eine expressive Darstellung innerer Kräfte und Energieströme, die von unseren verschrobenen 'Protagonisten' und 'Settings' ausgeht. Und da macht DECASIA keine Gefangenen, beweist insbesondere anhand des kakophonischen Scores von Michael Gordon, dass hier Gewalt, brennender Sadismus, Unterdrückung und Horror die Szenerie beherrschen - wie ein Einblick in die Hölle, voll mit fletschenden Fratzen, spaltend-zerfließenden Realitäts-Ebenen und wild-zerschüttelten Körpern. Die brutale Anti-Materie aus Mensch und Natur, am quälend-gedämpften Fluss der unausweichlichen Zelltötung und -vergiftung. Der schlägt ohne Unterlass zu und schleppt den Zuschauer in ein verzerrtes, dämonisches Weltbild, das womöglich unter der Wahrheit von allem Irdischen brodelt.
Das alles, was der Film zeigt, war ja ohnehin mal das festgehaltene 'Wahrhaftige', aber genauso schnell ein Relikt der Vergangenheit, jetzt in diesem Rahmen allerdings eine unbekannte Gefahr aus den tiefsten Ecken unserer Erinnerung - verrottet und wie ein Spieß sich in unsere Augen drehend, immerzu, bis in die Unendlichkeit. Es leidet, lässt leiden und wir müssen mitleiden, uns fürchten, permanente Schmerzensschreie anhören und keinen Ausweg finden. Denn wie hier der Film kaputt geht, das ist purer Schmerz, weil er im Grunde den Zerfall von Geschichte, von einigen der ursprünglichen Grundsteine unseres irdischen Lebens, darstellt. Das ist nicht nur ein Sinnbild für das ewige Fegefeuer, das IST ganz direkt und einfach das Tor zur Hölle: der Tod von Erinnerungen.
DECASIA ist da ein starkes, existenzialistisches Stück Kino, aber auch permanenter Pessimismus. Er borgt zwar die Verzerrung herkömmlicher Kunst für eine neue, sinnliche Erfahrung aus, erhebt sie jedoch ausnahmslos zum körperlichen Terror, u.U. als sich wiederholender Zyklus historischer Ungerechtigkeit, der für Ewigkeiten im Wesen des Menschen schlummern wird. Ich glaube nicht, dass das hinsichtlich dieser Art von Kunst nur so sein kann - siehe den bloßen, spannenden Reiz des sogenannten Grindhouse-Kults -, manche bezeichnen und verehren solche Einschnitte in der Materialqualität als turbulent-aufregende und noch grundsätzlich ehrliche Lebenszeichen des schwindenden Zelluloid-Formates, insbesondere in heutigen Zeiten, die digitale Projektion zum binär-kontrollierten (und eigentlich auch nicht vollkommenen) Standard erklären.
Vintage rules! und so, also will ich mich nicht komplett auf die Ideologie dieses Films festlegen - versucht er zwar irgendwo in seiner stilistischen Strenge, will er als provokant-offene Installation aber doch wieder nicht. Wenn man jedoch noch was ganz Bestimmtes von diesem Film abseits des (von mir so interpretierten) Narrativs mitnehmen kann, dann, dass die Versiegelung der Zeit besser präserviert werden muss, bevor sie von Gewalt (= die chemischen Widerstände von Seiten der Natur und die Vernachlässigung durch den Menschen) zerfressen wird.
LAST MAN STANDING - In meinen objektiven Augen ein etwas unterschätzter Film. Klar, wir können Tage lang darüber diskutieren, welch großen Impact die Story-technischen Vorgänger 'YOJIMBO' und 'FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR' auf unsere hochentwickelte Filmkultur hatten, während dieser Film von Walter Hill hier nicht mal einen Bruchteil davon erreichte. Kann ich ja verstehen, auch wenn ich nicht glaube, dass er es überhaupt darauf angelegt hatte. Auf jeden Fall hat er sich ein bisschen respektvoller an die Sache gemacht, als 2 Jahre später John G. Avildsen mit seinem Van-Damme-INFERNO, aber die eigenen, stilistischen Qualitäten dieses Films sprechen ohnehin ausgezeichnet für sich selbst - da will ich mal nicht vergleichen, sondern mich einfach nur freuen, dass Hill seiner Linie für furcht- und kompromissloses Genrekino treu geblieben ist und durchweg eine schwüle Spannung in die Luft injiziert, die jeden in diesem texanischen Gangster-Hort von Jericho bis zur härtesten Paranoia brodeln lässt.
Denn der Tod wartet schon entspannt mit der Sense um jede Ecke, die Hölle unter den Füßen sowieso und mittendrin das fatalistische Ventil dafür anhand eines Mannes, genannt John Smith (Bruce Willis), dem es als abgebrühter, sperriger Opportunist scheißegal ist, ob er blutig zusammengeschlagen oder angeschossen wird, solange das Geld hinein fließt (Ok, wütend ist er dann schon - aber keiner, der sich davon zu unbedachten Dummheiten hinreißen lässt, wie all die anderen dort). Ehrenkodex? Bei solch einer Gesellschaft gar nicht nötig - die einzige Sympathie spürt man beim allgemeinen Volk und bei den Frauen, die er aus den schlampig-brutalen Griffen der Mobsters rausholt und in so eine Art Freiheit schickt (weshalb jene pseudo-taffen Arschgeigen auch langsam ihre Macht beim Schwinden zusehen können, auch wenn sie es nicht glauben mögen). Denn es wird bald nicht nur mächtig dreckig und staubig in diesen Gefilden (den Look hält der Film durchweg vor die Augen), sondern vorallem blutrot und in Flammen brutzelnd, wenn die Gemüter der Intrigen eskalieren, durch Doppelbeschuss der Colts und Magnums in die Stratosphäre gepfeffert werden.
Da ist Smith im Grunde zwar ein nihilistischer, doch von allen Seiten betrachtet auch (un)freiwillig rechtschaffener Katalysator des Karmas, gegen das nicht mal das Gesetz wirklich was zu sagen hat, bis es zwangsläufig einschreiten müsste - was es bezeichnenderweise nie tut (dass es ab und an mal regnet, kann man auch nicht als Deeskalation werten). Das wirkt hier eh nur noch verloren, inmitten dieses zerschmelzenden Wirbelsturms keifender Machtspiele und rabiater Gewaltausbrüche - unterlegt von einem Soundtrack aus dem Hause Ry Cooder, der wie das quälend-lang-über-die-Haut-angesetzte Abstreifen von Klingen wirkt und wie der Gesamtfilm dazu erst recht keine Hoffnung auszuteilen versucht. Da werden dann auch schon mal Unbewaffnete erschossen oder ein Auge in Matsch verwandelt, aber in jener unsicheren 'Männer'-welt sind das auch nur überhastete Zeichen der Schwäche - vorallem dann, wenn Smith dagegen trotz allem noch gerade steht und keine Miene verzieht. Da scheißt sich schon jeder in die Hosen - aber abwarten, bis er schließlich mit Narben im Gesicht zurückkommt, angepisst in den vermurksten Spiegel schaut, seinen Hut aufsetzt und zum schnittig-schnörkellosen Gemetzel der feigen Banden ansetzt.
Mifune und Eastwood haben dafür schon den Weg geebnet, total, aber diese Eminenz eines transparenten, Bullshit-freien Kerles lässt sich ebenso wenig verarschen. Eben ein typischer, vorausschauender Hill-Charakter, wie auch Christopher Walken als Hitman Hickey, die einzig-ebenbürtige Eigenmacht in dieser aneinander reibenden Darbietung ideologischer Souveränität (ein durchgängiges Thema im Werk des Regisseurs). Sicherlich beherbergt ihr brachiales Handeln dann auch eine stumpfe Direktheit und eine gleichsam zynische Aura, mit einer zu erwartenden, schroffen Reaktion von der Gegenseite dazu - aber das ist dann wenigstens ehrlicher, konsequenter Mumm, jenseits von schicken Anzügen und Bündeln an Geldscheinen, die Macho-mäßig was hermachen wollen, aber eher nur Furcht projizieren. Und wer das nicht begreift, wird von einem nackten Bruce Willis erschossen, nachdem er gerade noch zur Entspannung seinen Prügel in eine Dame der Nacht gesteckt hat und selbstverständlich bereits zwei Knarren in der Hand hat, sobald er angegriffen wird - wichtig ist dabei aber auch: er prahlt nicht damit herum und reißt One-Liner, sondern bleibt wie der Film ein scharfer, methodischer und dennoch heißblütiger Beobachter. Ist das nicht einfach die coolste, righteous Sau? Oder doch eben ganz einfach und ohne Frage der LAST MAN STANDING.
(Diese Kritik gibt es auch bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)
ICH LIEBE DICH, ICH LIEBE DICH - Egal wie pionierhaft-formbrechend, psychologisch komplex, bizarr und ideenreich die eigentlich-reizvolle Ausgangslage von Alain Resnais' Film über die verquere Entschlüsselung von Traumata in Zeit-&-Raum-fragmentierenden Gehirnsträngen abläuft: so potenziell schön und fantasievoll-atemberaubend wie das wirklich furios-fantastische Poster (ihr müsst schon zugeben: das Ding ist 1A! Bzw. hätte ich es gerne in A1.) ist das Endergebnis leider nicht, in der Theorie zwar schließlich echt mehrwertig und clever - aber gleichfalls dann doch wieder zu klinisch und nüchtern. Ist nur mein Gefühl bei der ganzen Sache, andere können da bitte tiefer graben, bevor ich etwas sage, was der inneren Intelligenz des Films nicht gerecht wird. Zugänglichkeit darf man ruhig opfern, keine Frage, das steht dem Medium zu - aber dann kann man als Ersatz (auch abstrakt) mal starke, menschliche Gefühle vermitteln, wenn man schon so tief in die Zellen und Erinnerungen unseres unkonventionellen Protagonisten vordringt. Leider fehlt genau das ein Stück weit bei diesem immer etwas distanzierten Film mit seinem doch wirklich einladend-umschmeichelnden und andere-Erwartungen-aufbauenden Titel. Ich frage mich, wie der ebenfalls immer etwas experimentelle, aber emotional-fokussierte Claude Lelouch das gelöst hätte. Meine Prognose: he would've directed the fuck out of that poster!
KOMM MIT ZUR BLAUEN ADRIA - Zu Ehren des jüngst verstorbenen Dietmar Schönherr kam ich nicht umhin, mir diese launige Schlager-Klamotte direkt von der Adria (Drehort: Costa del Sol) anzusehen, erst recht da das Drehbuch erneut von meinem liebsten Autoren jenes Genres, Hans Billian, stammt. Und auch so bekannte Gesichter aus der Zeit, wie Hannelore Auer, Margitta Scherr, Manfred Schnelldorfer und einmal auch Vivi Bach (Ehefrau Schönherrs ab 1965, dem Entstehungsjahr dieses Films), lassen sich blicken, geben den ein oder anderen, schnulzigen Hit zum Besten. Für mich als Experten dieser Film-Sparte stellt dieser Streifen hier zwar einen der schwächeren Exemplare dar, da er hauptsächlich als geradlinige Liebeskomödie funktioniert, die weit hergeholten Schreibkünste beim Schlager-in-die-Handlung-Einbinden leicht minimiert wie auch die verschiedenen Subplots, die letzten Endes immer auf die wundersamste Weise miteinander verbunden werden. Dennoch darf man sich zeitweise auf einige Ulkigkeiten am laufenden Band sowie auf eine Menge platt-angezogenen (einst riskanten) Sex-Appeal freuen, wie es sich für Schreiberling Billian gehört.
(Vivi Bach & Dietmar Schönherr aus WÜNSCH-DIR-WAS-Zeiten)
Das fängt schon bei der Ausgangslage des Plots an, in welchem der Modellzeichner Walter Thomas (Schönherr), im Einsatz beim titelgebenden Urlaubsziel-Paradies, in finanzielle Engpässe gerät, da sein Boss in Deutschland, Textilien-Fabrikant Hugo Becker (Fritz Benscher), nicht mehr auf die neuesten Bikini-Entwürfe warten kann und solange nichts mehr vorpumpt, bis Ergebnisse geliefert werden. Walter, von Anfang an schon als schlacksiger Casanova dargestellt, kommt trotzdem über die Runden, solange er zwischen seinen zwei Damen - 1.) seine Begleitung Ingrid (Hannelore Auer) und 2.) die Tochter jenes Hotelbesitzers, bei dem er nun nicht mehr einquartiert bleiben kann, Tina (Margitta Scherr) - hin- und herpendelt, was die jeweilige Liebhaberin natürlich höchst eifersüchtig macht und in Ingrids Fall besonders bitter aufstößt, da sie die Hotelrechnungen mit Sanges-Einsätzen in der Hausbar begleichen muss. Währenddessen ist im Hause Becker der Teufel los, da Tochter Renate (Maria Brockerhoff) von ihrem Internat ausgerissen ist, um Urlaub an der...na?....Adria (natürlich) zu machen.
Drum werden gleich zwei Leute in Beckers Auftrag ebenso dahin geschickt: der verhaltene Prokurist Heribert Kindlein (Thomas Alder), welcher die Anstrengungen Walters in Frauenkleidern ausspionieren soll, sowie der strahlende Millionär Sr. Hernandez di Castillo (Gustavo Rojo), der um die Hand von Renate anhalten will, nachdem er beim Anblick ihres Fotos zweimal hintereinander den Rahmen mit seinen Händen gesprengt hat. 'Zweimal' bedeutet in diesem Fall: Running Gag - und davon hat der Film so einige zu bieten. Da wäre einmal jener ältere Herr, der Kindlein in seiner Verkleidung so überzeugend und scharf findet, dass er ihm den Hof machen will und zu den ungünstigsten Momenten auftaucht - dafür bei der unausweichlichen Offenbarung des Geschlechterspiels einen hämischen Golfball vom Film in den Mund geschossen bekommt. Erwähnt sei dabei auch jenes surreales Vorkommnis, bei dem Kindlein seinen Verfolger, mit einer kleinen Hunde-Figur in der Hand, durch Gebell aus seinem eigenen Mund in die Flucht schlägt.
Den Hauptanteil an Lachern liefert aber (besonders anfangs) Vater Becker selbst, der scheinbar ohne Brille ein regelrechter Mr. Magoo ist und sich zudem des Öfteren freudianisch im Wortschatz vertut. Beispiele gefällig? Ihm wird ein Mannequin vor die Augen gestellt, er hält es für seine Sekretärin Fräulein Habicht (Ruth Stephan) und fragt 'In was für einem Fahrstuhl...äh, Aufzug laufen sie denn hier rum?'. In der Verwechslung packt er auch zunächst sie anstelle der Puppe zum Wegpacken an. Und soll er mal den Hörer seines gelben Telefons abnehmen, greift er ausgerechnet zur Banane, die zufällig daneben liegt. Wer sowas ins Drehbuch schreibt, kann kein schlechter Mensch sein. Denn Billian, späterer Erotik-Spezialist, präsentiert hierin auch ein ironisches Mannsbild, das nichts ohne seine Nächste (=Habicht) gebacken kriegt und darin wohlgemerkt sein Glück findet.
Das gilt gleichfalls für unsere Charaktere an der Adria, die zwar alle irgendwann dem gegenseitigen Frust verfallen - aber zumindest am Ende des Tages doch noch den passenden Partner finden, wobei die Damen allen am Ehesten auf die Sprünge helfen. Halten wir das mal ein bisschen chronologisch fest: da Walter aus dem voll ausgebuchten Hotel verbannt wird, muss sich Spion/in Kindlein ein Zimmer mit Ingrid teilen, die bis dahin nur seine feminine Seite sieht und ihm Einblicke gewährt, die nicht jedem so einfach erlaubt sind (bezeichnender Schlüsselmoment, ganz nach dem Autor: Ingrid liegt beim Sonnen auf dem Bauch, lediglich mit einem Handtuch am Gesäß, da sie ja glaubt, 'unter Frauen' zu sein). Walter ohne Bleibe hingegen, der zwischendurch in Schiffsruinen ein wehmütiges Lied von 'Don Juan' zum Besten gibt, bekommt von seiner Tina den Tipp, sich in der leerstehenden Villa Paradiso einzuquartieren. Dort jedoch versteckt sich im großen Bett, ihm unbemerkt, schon die Quasi-Besitzerin des Ladens, Renate! Hinzu kommt, dass Tina, Ingrid und Kindlein ihm dahin folgen und in flagranti erwischt haben zu glauben!
Nun lösen sich die früheren Liebhaber von Walter, aber beim Eintreffen der Polizei setzt er alles daran, Renate aus der Patsche zu helfen, da er glaubt, sie wäre ebenso ein armer Vogel wie er. Das Spiel macht sie mit und erobert sein Herz. Da dadurch aber auch Kindleins Schwindel mit der Damenwäsche-Spionage auffliegt, ist Ingrid ihm gegenüber doch etwas groggy, doch dabei gibt er ihr zu, sich in sie verliebt zu haben. Von diesem Geständnis doch imponiert, lässt sie sich ebenso zu einer Maskerade hinreißen und schüchtert ihn als ihre eigene Oma ein. Doch daraufhin steigt sie auf die Bühne und stimmt in der schönsten Szene des Films einen gewitzten Striptease sowie das optimistische Lied 'Einmal wird die Sonne wieder scheinen' an, bei dem unser Kindlein durch seelische Belohnung wieder ordentlich Mut fasst und allmählich seine Schüchternheit ablegt. Frauen kriegen sowas halt hin!
Währenddessen kommt aber Di Castillo ins Spiel und hegt natürlich Heiratsgefühle für Renate, die jedoch beim Besuch seiner Yacht 'dankend' ablehnt. Vielleicht hätte er sie nicht mit Sekt zuschütten sollen, wie es ihr bei ihrem baldigen Reichtum zustehen würde und auch die Frage, ob sie ihre zukünftigen Kinder echt oder künstlich ernähren sollen (?), hätte nicht unbedingt sein müssen. Das beschwört natürlich im Kampf um das Herz jener Dame ordentlich Prügel mit Walter herauf und wird erst dadurch aufgelöst, dass sie sich doch noch als Tochter Beckers entpuppt - nebenbei lernt Castillo auch Tina kennen und wird schließlich ihr nun gemäßigtes Herzblatt (ihr Vater, der vorher etwas gegen jede Männerbekanntschaft von ihr hatte, gibt da seinen Segen, weil Millionenvermögen und so - typisch opportunistische Witzfigur von Mann). In der Ehre gekränkt, beschließt Walter nur noch die letzten Bikini-Entwürfe für eine kommende Modenschau fertigzustellen und dann ein für allemal abzuhauen. Doch Oh, Schreck! Die Bikinis werden von einigen Einheimischen geklaut, die schon die ganze Zeit einen Kieker auf Walter hatten, da er ihre Freundinnen als Modelle benutzte - da hilft nur noch: direktes Anpinseln der neuen Entwürfe auf die Haut. Ein Geniestreich! Und siehe da: bei dem glücklichen Erfolg, mit seinen juchzenden Tänzen und Trompeten (Roy Etzel), kann Walter nicht anders, als zu seiner Renate zurückzukehren. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute an der Adria.
Wie gesagt, ein ziemlich konventionelles Prozedere in dieser Genre-Arbeit und vorallem in Sachen Schlager-Einschlag etwas unterbesetzt. Den besten Eindruck macht da natürlich die Auer mit der gewohnten Spielfreude, auch wenn ihr Make-Up in diesem Film nicht allzu natürlich, geradezu Diva-haft wirkt - da kamen frühere Auftritte weit quirliger, obwohl ihre Freizügigkeit hier einige neue Dimensionen annimmt und sie noch immer verführerisch mit der Zunge schnalzen kann, obwohl es in manchen Situationen gar nicht nötig ist. Manfred Schnelldorfer hingegen erhält mal einen tatsächlichen Einsatz als Nebendarsteller, der dadurch eingeführt wird, dass er als junger Jurist Renate beim Hitchhiking vor einem alten Sack rettet, welcher ein paar 'Gefälligkeiten' von ihr verlangte. Später trifft sie ihren netten Samariter beim Zelten wieder und dieser tröstet sie, basierend auf dem Hadern mit ihrer Identität gegenüber Walter, mit der Aussicht auf ihn selbst als Alternative anhand des Liedes 'Und dann komm zu mir.' - daraus wird für ihn nie was, aber Versuch macht ja bekanntlich kluch.
Die letzte Schlagernummer im Bunde ist dann lediglich noch Vivi Bach mit ihrem Song 'Oh, Mister Brown', den sie bei der Modenschau singen soll, aber ganz klar in irgendeinem Studio, komplett abseits vom Narrativ und seinen Figuren, nachgedreht wurde. Es stellt die befremdlichste Nummer im Film dar (von denen er mehr hätte gebrauchen können) und kann vorallem dadurch auftrumpfen, was mit dem sogenannten Mr. Brown bei jeder Strophe passiert. In der ersten sitzt er noch ganz normal da, in der zweiten ist er plötzlich in einem Käfig gefangen und in der dritten ist er warum auch immer nur noch eine Pflanze, lediglich weiterhin mit derselben Melone auf dem Kopf - aber Vivi spricht/singt ihn immer gleich an, das ist doch nett.
Das war's dann aber auch mit den großen Besonderheiten des Films, der zwar anfangs schick urig und knallig, sexy und blödelig daherkommt, aber sich zur Mitte hin etwas zieht und unmotiviert den Liebesreigen in die Tat umsetzt. Zum einen ist das nicht gerade Billians beste Arbeit, zum anderen ist Regisseur Lothar Gündisch in seinem einzigen, eigenständigen Werk (war eher 2nd Unit Director - zumindest Co-Regisseur von Billians 'HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE') kein Spielleiter vom Schlage eines Billians und erst reicht kein Hofbauer, welche beide eine gelungenere, wildere Frische und Energie in ihren Genre-Arbeiten ablieferten. Aber zumindest ist sein Schnitt teilweise so zerfahren, speziell bei einigen unbeholfen-getricksten Gags, dass er fröhlich-eckig ins Auge springt und auf ein stimmiges Ensemble kann er sowieso stets zurückgreifen, auch wenn er es etwas unterfordert (wodurch selbst die sprunghafte Auer teilweise etwas steif wirkt) - aber allen voran die Szenen zwischen Benscher und Stephan haben trotz theatralischem Ambiente eine ungebremst-dusselige Dynamik.
Und ja, auch der Herr Schönherr lässt es selbstsicher, mit gewinnendem Lächeln und unbedarfter Schlagfertigkeit im Umgang mit den Damen, ordentlich krachen. Ein bisschen jugendlicher Macho-'Tiefsinn' und das berüchtigte Eingeschnappt-Sein dürfen da natürlich auch nicht fehlen und unterstützen dahingehend nochmals die niedliche Entlarvung männlichen Gehabes, aber bieten stets die Chance auf gewissenhafte Wiedergutmachung beim weiblichen Geschlecht. Zusammen mit dem gesamten Weltbild des Films eben ein typischer, naiv-harmloser Rom-Com-Stuff mit Happy-End und trotz kokettierendem Sex-Appeals nur bedingt spannend. Da bietet das Genre noch weit eigensinnigere Exoten und charmante Show-Stehler wie Gus Backus, Billy Mo, Peggy March und Teddy Parker. Aber so, für ein paar unterhaltsame 1 1/2 Stunden im 60's Chic der lauwarmen Strand-Luft Spaniens, kann man das schon mal gut aushalten, ein paar Mal gut deftig lachen und kindisch hoffen/wissen, dass bei der Urlaubs-Stimmung am Ende immer alles gut geht.
Kostenlos auf der Homepage des Lizenzinhabers bei CINEHOME.TV in der Kategorie "Komödie" an der Seite von vielen anderen BRD-Obskuritäten zu sehen.
Auf CEREALITY.NET fing diese Woche nicht nur eine Retrospektive auf Miyazaki, sondern auch eine für die TRANSFORMERS-Filme von Michael Bay an. Ich durfte mich zu den zunehmend lehrsam-sadistischen Teilen 2-4 äußern und habe meine Texte quasi der Länge jener Streifen angepasst:
TRANSFORMERS - DIE RACHE - "[...] Aber bei dieser knalligen Verwirrung der Sinne fragt man sich schon, warum man so lange darauf warten beziehungsweise warum es sich dafür als narrativ-gesteuerter Film ausgeben muss. Bay will ganz klar Frustration und Hass aufbauen, auch wenn er meint, diese Streifen nur für die Unterhaltung der Kids machen zu wollen. Ob die was davon mitnehmen können, dass ihr Held Optimus Prime zum Schluss übertough zurückkommt, Fallen das Gesicht abreißt und seine Faust von hinten durch den Brustkorb schießt? Ich möchte es ein bisschen bezweifeln, auch wenn’s klasse aussieht. Aber da ist Bay wiederum einfach nicht konsequent genug in seinem Hang zur cineastischen Brutalität, muss diese in der ersten Hälfte stattdessen mit einem dödelig-ankotzenden Humor forcieren, welcher der Lustlosigkeit des Gesamteindrucks die Dornenkrone der Dämlichkeit aufsetzt. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es hier zu lesen.)
TRANSFORMERS 3 - "[...] Im narrativen Sinne kann man natürlich auch hier nicht von echtem Suspense reden, dafür scheint an vielen Stellen zu sehr die gewollte und nicht verdiente Ernsthaftigkeit durch – bei einem Regisseur, der jeden einzelnen Moment für bare, monumentale Münze verkaufen will, in seinem Überschwang nur selten eine gelungene Pointe passieren lässt, keinen Stimmungswechsel harmonisch vorbereiten kann und so frustriert mit seinen Charakteren ist, dass er sie jetzt beinahe alle zu uninvolvierenden Dreckskerlen umfunktioniert. Aber das gehört einfach zum perfiden Gesamtkonzept des Films und da muss man Bay seinen Mut schon lassen, die Menschlichkeit nun wie ein Besessener vollkommen hinter sich zu lassen, den Zynismus seiner Blockbuster-Clique kompromisslos offen zu legen und letztendlich nur noch im Sinne seiner exzessiven, kindlichen BANG-BOOM-BANG-Bewegungskunst wahre Begeisterung zu zeigen. Es ist noch immer eine Provokation und nur bedingt weniger blödelig (weil nun forciert-düster) als der Vorgänger, aber Bay scheint sich endgültig mit seiner Ignoranz für Menschlichkeit abgefunden zu haben [...]"
(Die komplette Kritik gibt es hier zu lesen.)
TRANSFORMERS 4: ÄRA DES UNTERGANGS - "Hier haben wir wohl den pursten „Transformers“-Film bekommen, vor dem man sich auch seit jeher gefürchtet hat: eine fast drei Stunden lange Nonstop-Sinnes-Attacke, bei der Handlung und Charaktere nur noch minimalistisch-dünn angebaut und über das ganze Zelluloid verschmiert werden, um einer ungebändigten Orgie von Explosionen, digital-umwirbelnden Einzelteilen, Dröhn-Tonflächen und zynisch-freudloser Gewalt gegenüberzustehen, bei der sich das unfassbar-plakative (nun auch zeitweise chinesische) Product Placement fast schon am Prägnantesten aus dem ganzen Geschehen heraushebt. Michael Bays „Transformers 4 – Ära des Untergangs“ ist damit wohl die frechste Provokation des Jahres gelungen und kann eigentlich kaum noch als Film, denn als sadistisches Experiment der Chaotik bewertet werden, welches unentwegt versucht, das menschliche Gehirn in Brei zu verwandeln – so wie es eigentlich auch sein sollte. Wie oft haben sich doch Fans und Puristen jener Hasbro-Spielzeug-Marke beschwert, wie belanglos die menschlichen Faktoren in diesen Filmen wirken und kaum nötig sind – nun, die Nachricht wurde erhört und Bay sagt uns den äußerst lehrsamen Kampf an! [...]"
(Die komplette Kritik gibt es hier zu lesen.)
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